Seegräser schützen Küsten effektiv. Sie bremsen Wellen, sammeln Sand und Sedimente an und verhindern Erosion weit über ihre Grenzen hinaus
Seegraswiesen mögen auf den ersten Blick unscheinbar aussehen. Durch ihre schiere Existenz aber verändern sie das Kräfteverhältnis zwischen Land, Wellen und Meer ganz entscheidend und tragen zum Küstenschutz bei, indem sie die Wellen ausbremsen, lose Sedimentpartikel festhalten, Dünen verstärken und zudem als Sedimentfalle dienen, sodass den entsprechenden Küstenabschnitten vereinfacht gesagt nie der Sand ausgeht. Wie aber gelingt ihnen das?
Eines
ihrer Erfolgsgeheimnisse ist die hohe Pflanzendichte in vielen
Seegraswiesen. Wenn die filigranen Halme zu Abertausenden dicht an dicht in die
Höhe ragen, stellen sie ein biegsames, aber dennoch ausgesprochen wirksames
Bollwerk dar, welches in der Lage ist, Wellen und lokale Wasserturbulenzen
auszubremsen. Die Wassermassen bewegen sich demzufolge langsamer, was zwei
positive Auswirkungen hat. Zum einen rollen die Wellen nicht mehr so kraftvoll
an das Ufer und reißen auf ihrem Rückweg auch weniger Sand und Sedimente vom
Strand mit ins Meer. Hinter den Seegraswiesen liegende Sandstrände und Dünen bleiben demzufolge länger erhalten und
müssen seltener vom Menschen wiederaufgefüllt werden. Dennoch können
Seegraswiesen nicht als Allheilmittel gegen Küstenerosion eingesetzt werden,
denn sie wachsen vornehmlich in geschützten Küstenbereichen.
Zum anderen gibt die verlangsamte Wasserbewegung über und abseits der Seegraswiesen vielen in der Wassersäule schwebenden Sedimenten und Partikeln die Chance, zum Meeresgrund zu sinken – und sich bestenfalls im Grasteppich zu verfangen. Die Unterwasserwiesen reinigen so nicht nur das Wasser von Schwebstoffen. Sie häufen auf diese Weise auch so große Mengen Sedimente an, dass sie in der Lage sind, den Küstenabschnitt noch effektiver vor Erosion zu schützen. Der stete Sedimentzutrag von oben ermöglicht ihnen auch, in die Höhe zu wachsen und so dem Anstieg der Meeresspiegel zu trotzen. Wiesen, die mit dem Wasserpegel mitwachsen, können auch künftig ihre Küstenschutzfunktionen erfüllen – vorausgesetzt der Meeresspiegel steigt nicht schneller als die Wiesen Sedimente anhäufen können.
In einigen tropischen Regionen hat sich sogar gezeigt, dass Seegraswiesen maßgeblich dazu beitragen, dass Küstenabschnitte stetig und verlässlich mit neuen Sedimenten versorgt werden und somit vor Erosionsschäden geschützt sind. Ihr Erfolgsgeheimnis hier sind Kalk- und Kieselalgen, die in den Seegraswiesen leben. Sterben diese ab, bleiben ihre Kalk- oder Siliziumhüllen zurück und helfen, die Strände mit neuem Sediment aufzufüllen.
Sedimentpartikel, die sich in einer Seegraswiese verfangen, haben gute Aussichten, nicht von der Strömung davongespült zu werden. Denn wie Bäume an einem Berghang, stabilisieren Seegräser mit ihrem dichten Wurzelwerk den sandigen Untergrund. Sie halten ihn schlicht und einfach gesagt fest und schützen ihn so vor der Spül- und Sogwirkung des Meeres.
Eine
ähnliche Aufgabe übernehmen Seegras-Halme, die vom Wind oder von den Wellen
abgerissen und anschließend an den Strand gespült werden. Wo sie sich
stellenweise meterhoch auftürmen, sind in erster Linie Dünen wirkungsvoll vor
Erosion durch Wind und Meer geschützt.
Die Bedeutung der Seegraswiesen für den Küstenschutz nimmt mit jedem Millimeter zu, den die Meeresspiegel im Zuge des Klimawandels steigen. Im Vergleich zu Deichen oder aber Schutzmauern aus Beton haben die Unterwasser-Graslandschaften nämlich zwei entscheidenden Vorteile: Sie wachsen eigenständig mit dem Meeresspiegel mit und sie reparieren sich selbst, falls während einer Sturmflut Schäden entstehen und Gräser herausgerissen werden. Seegraswiesen zu erhalten, zu schützen und sie an angestammten Standorten wieder neu anzupflanzen, gehört somit zu den effektivsten naturbasierten Lösungen, um Natur, Mensch und Küsten vor den schwerwiegenden Folgen des Klimawandels zu schützen.
Ausführliche Informationen zu den SeaStore-Forschungsarbeiten finden Sie auf der Projektseite
Meeresströmungen, Wellenschlag und Turbulenzen stellen eine der größten Herausforderungen für die Wiederanpflanzung von Seegraswiesen dar, auch in der Ostsee. Der SeaStore-Forschungsverbund hat sich deshalb das Ziel gesetzt, eine Anwuchshilfe zu entwickeln, die den frisch gepflanzten Seegräsern so lange Halt bietet, bis deren Wurzeln stark genug sind, diese Aufgabe selbst zu erfüllen.
Wie groß ein solches Werkzeug sein muss, welche Form es benötigt, aus welchem Material es beschaffen sein sollte und unter welchen Standortvoraussetzungen sein Einsatz überhaupt notwendig ist, wollen die Forschenden in aufwendigen Feld- und Laboruntersuchungen herausfinden. Fest eingeplant sind dabei auch Messungen und Testläufe in einem Wellenkanal sowie in einem 3D-Wellenbecken.
Außerdem
wollen die Strömungsexperten Methoden entwickeln, mit denen sich die besten
Standorte für Neuanpflanzungen finden lassen. Dabei werden auch Computermodelle
zum Einsatz kommen, mit denen sich die Strömungsverhältnisse in der südlichen
Ostsee simulieren und genauer untersuchen lassen.
Wer
Seegraswiesen wiederherstellt, erweist nicht nur dem Meer, sondern auch der
Menschheit einen enormen Dienst.
Der Erfolg einer Restaurationsmaßnahme hängt
jedoch von einem komplexen Zusammenspiel vieler Faktoren ab.
Sie alle werden im
Rahmen des SeaStore-Verbundprojektes untersucht.