C0₂-Speicher / Entnahme von KohlendioxidRiesige Kohlenstofflager unter der Grasnarbe

Seegräser entnehmen dem Meer das Treibhausgas Kohlendioxid und lagern dessen Kohlenstoffanteil im Untergrund ein – und zwar mit einer höheren Rate als jeder Wald an Land.

Als Pflanzen betreiben Seegräser Photosynthese. Das heißt, sie nehmen das Treibhausgas Kohlendioxid aus dem umliegenden Wasser auf, wandeln es um und lagern dessen Kohlenstoffanteil in Blättern und Wurzeln ein. An diesem Umstand allein ist noch nichts Ungewöhnliches zu entdecken. Sterben einige der unterirdischen Pflanzenteile jedoch ab, werden diese im Meeresboden nicht von Mikroorganismen zersetzt, sondern bleiben aufgrund des Sauerstoffmangels im Sediment nahezu vollständig erhalten und überdauern so unter Umständen mehrere Jahrhunderte. Gleiches gilt für Seegräser, deren Überreste von herabrieselnden Sedimentpartikeln begraben werden.

Beide Prozesse zusammengenommen führen dazu, dass Seegraswiesen mit der Zeit große Mengen organischen Materials im Meeresboden unter sich ansammeln und diesen so mit Kohlenstoff anreichern. Dabei sind sie so effektiv, dass sie pro Quadratmeter 30- bis 50-mal mehr Kohlenstoff im Untergrund einlagern als vergleichbare, mit Wald bedeckte Ökosysteme an Land. Da die Fläche der weltweiten Seegraswiesen jedoch viel kleiner ist als jene der Wälder, stehen Seegräser auf der Liste der größten natürlichen Kohlenstoffsenken noch immer weit hinter den Wäldern.

C0₂-SPEICHER / KOHLENDIOXIDENTNAHME
C0₂-SPEICHER / KOHLENDIOXIDENTNAHME
Coring Sea Grass

Credit: Thorsten Reusch / GEOMAR
Coring Sea Grass

Credit: Thorsten Reusch / GEOMAR

Wer Seegraswiesen schützt, schützt auch das Klima

Vor kurzem durchgeführte Untersuchungen an Wiesen des Echten Seegrases (Zostera marina) haben ergeben, dass diese in den obersten 25 Zentimetern Meeresboden im Durchschnitt 2,7 Kilogramm Kohlenstoff pro Quadratmeter Fläche einlagern. Abhängig von den Standortbedingungen konnten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aber auch Spitzenwerte von bis zu 26,5 Kilogramm Kohlenstoff pro Quadratmeter Fläche nachweisen. Entlang der deutschen Ostseeküste waren es im Durchschnitt 10,7 Kilogramm pro Quadratmeter Seegraswiese. Hochgerechnet auf die oberen 100 Zentimeter Meeresboden, speichern die Wiesen des Echten Seegrases demzufolge 23,1 bis 351,7 Tonnen Kohlenstoff pro Hektar.

Diese Seegras-Kohlenstofflagerstätten sollten erhalten werden, wenn die Menschheit die Erderwärmung auf unter zwei Grad Celsius begrenzen will. Voraussetzung dafür ist allerdings ein Überleben der Graslandschaften am Meeresgrund. Sterben die Seegräser ab, öffnet sich gewissermaßen das Eingangstor zu den unterirdischen Kohlenstofflagern. Die Sedimente sind dann schutzlos den Wellen und Strömungen ausgeliefert, werden durcheinandergewirbelt, umgelagert oder aber auch davongetragen. Auf jeden Fall gelangt Sauerstoff in die tieferen Sedimentschichten, sodass es für die Mikroorganismen des Meeres ein Leichtes ist, die vielen dort eingelagerten Pflanzenreste zu zersetzen und den enthaltenen Kohlenstoff erneut in Form des klimaschädlichen Treibhausgases Kohlendioxid freizusetzen. Die Folgen wären nicht nur eine stärkere Versauerung der Küstengewässer, sondern auch eine Beschleunigung der globalen Erwärmung.

Ausführliche Informationen zu den SeaStore-Forschungsarbeiten finden Sie auf der Projektseite

Fachleute haben einmal nachgerechnet:

Würden die weltweiten Seegraswiesen nach und nach absterben, könnten pro Jahr zusätzliche Treibhausgasemissionen in Höhe von 650 Millionen Tonnen Kohlendioxid entstehen. Zum Vergleich: Diese Menge ist nur etwas kleiner als die jährlichen Kohlendioxidemissionen Deutschlands (703 Millionen Tonnen Kohlendioxid).

Restauration als Mehrfach-Investition in die Zukunft

Wie viel Kohlenstoff Seegraswiesen aufnehmen und im Untergrund einlagern, unterscheidet sich von Art zu Art und von Standort zu Standort. In der Regel entstehen die größten Kohlenstofflagerstätten in Wiesen, die nicht vom Menschen gestört werden, sich aus langen Seegras-Arten mit dichtem Blätterwerk zusammensetzen und zudem in flachen, von Wind und Wellen geschützten Meeresbuchten wachsen – kurz gesagt, an Standorten, an denen die Seegräser perfekte Lebensbedingungen vorfinden. Aktuelle Forschung an wiederhergestellten Seegraswiesen vor der Küste des US-Bundesstaates Virginia belegt außerdem, dass Seegraswiesen umso mehr Kohlenstoff speichern, je älter sie werden.

Ihre Fähigkeit, Kohlenstoff-Reservoirs aufzubauen, macht Seegraswiesen zu einem interessanten Werkzeug bei der Frage, wie es der Menschheit gelingen kann, die Kohlendioxidkonzentration in der Erdatmosphäre schnell und effektiv zu reduzieren. Projekte zur Wiederansiedlung von Seegraswiesen werden daher nicht mehr nur als Investition zum Schutz und Erhalt der lokalen marinen Artenvielfalt betrachtet, sondern auch als Investition in den Klima- und Küstenschutz mit einer Wirkung weit über die neuen Restaurationsflächen hinaus.

Ihre Fähigkeit, Kohlenstoff-Reservoirs aufzubauen, macht Seegrasweisen zu einem interessanten Werkzeug bei der Frage, wie es der Menschheit gelingen kann, die Kohlendioxidkonzentration in der Erdatmosphäre schnell und effektiv zu reduzieren. 

Credit: Ben Jones / Ocean Image Bank
Ihre Fähigkeit, Kohlenstoff-Reservoirs aufzubauen, macht Seegrasweisen zu einem interessanten Werkzeug bei der Frage, wie es der Menschheit gelingen kann, die Kohlendioxidkonzentration in der Erdatmosphäre schnell und effektiv zu reduzieren.

Credit: Ben Jones / Ocean Image Bank
Die Wirtschaftsfachleute im Team führen derweil eine umfassende Kostenanalyse von Seegras-Restaurationsvorhaben durch und untersuchen mithilfe von Online-Befragungen, wie die deutsche Öffentlichkeit Seegras-Renaturierungsprojekte an der Ostseeküste bewerten würde. Würden Küstenbewohner und Urlauber Restaurationsarbeiten befürworten oder würde sich Widerspruch regen, wenn zum Beispiel zum Schutz der neuangepflanzten Wiesen bestimmte Küstenabschnitte auf Zeit gesperrt werden müssten? Die Untersuchung dieser Fragen im Seastore-Projekt soll helfen, Informationen zur richtigen Planung und Durchführung von Seegras- und Wiederansiedlungsprojekten zusammenzustellen.

Credit: Tadhg O Corcora / GEOMAR
Die Wirtschaftsfachleute im Team führen derweil eine umfassende Kostenanalyse von Seegras-Restaurationsvorhaben durch und untersuchen mithilfe von Online-Befragungen, wie die deutsche Öffentlichkeit Seegras-Renaturierungsprojekte an der Ostseeküste bewerten würde. Würden Küstenbewohner und Urlauber Restaurationsarbeiten befürworten oder würde sich Widerspruch regen, wenn zum Beispiel zum Schutz der neuangepflanzten Wiesen bestimmte Küstenabschnitte auf Zeit gesperrt werden müssten? Die Untersuchung dieser Fragen im Seastore-Projekt soll helfen, Informationen zur richtigen Planung und Durchführung von Seegras- und Wiederansiedlungsprojekten zusammenzustellen.

Credit: Tadhg O Corcora / GEOMAR

Die Kohlenstoff-Bilanz der Ostseewiesen

Aufbauend auf dieser Denkweise wollen die SeaStore-Projektpartner herausfinden, wie viel Kohlenstoff die Seegraswiesen der südlichen Ostsee in ihren Reservoirs speichern und wie schnell neu gepflanzte Wiesen eine eigene Kohlenstofflagerstätte aufbauen. Dazu nehmen die Meeresbiologinnen und -biologen Seegras- und Sedimentproben an angestammten Seegraswiesen in dänischen und schwedischen Gewässern und vergleichen diese in regelmäßigen Abständen mit Proben von zwei frisch angepflanzten Versuchsflächen in der Nähe von Kiel und Maasholm.

Die Wirtschaftsfachleute im Team führen derweil eine umfassende Kostenanalyse von Seegras-Restaurationsvorhaben durch und untersuchen mithilfe von Online-Befragungen, wie die deutsche Öffentlichkeit Seegras-Renaturierungsprojekte an der Ostseeküste bewerten würde. Würden Küstenbewohner und Urlauber Restaurationsarbeiten befürworten oder würde sich Widerspruch regen, wenn zum Beispiel zum Schutz der neuangepflanzten Wiesen bestimmte Küstenabschnitte auf Zeit gesperrt werden müssten? Die Untersuchung dieser Fragen im Seastore-Projekt soll helfen, Informationen zur richtigen Planung und Durchführung von Seegras- und Wiederansiedlungsprojekten zusammenzustellen.

Eine wichtige ökonomische Erkenntnis deutet sich allerdings jetzt schon an: Wer eine Wiederansiedlung von Seegraswiesen nur mit dem Ziel betreibt, Kohlenstoff im Meeresgrund einzulagern, um auf diese Weise unvermeidbare Treibhausgasemissionen in anderen Wirtschaftszweigen zu verrechnen, der wird am Ende vermutlich enttäuscht sein. Nehmen Entscheidungsträger und potenzielle Investoren jedoch die gesamte Leistungspallette der Seegraswiesen in den Blick und zielen mit ihrem Projekt auch auf saubereres Wasser, auf den Küstenschutz, auf eine zunehmende Artenvielfalt sowie auf sichere Fischereierträge ab, geht die Rechnung auf und die Wiederherstellung von Seegraswiesen wird auf jeden Fall ein lohnendes Geschäft.

ForschungsschwerpunkteVom Mikrobiom bis zur
öffentlichen Unterstützung

Wer Seegraswiesen wiederherstellt, erweist nicht nur dem Meer, sondern auch der Menschheit einen enormen Dienst.
Der Erfolg einer Restaurationsmaßnahme hängt jedoch von einem komplexen Zusammenspiel vieler Faktoren ab.
Sie alle werden im Rahmen des SeaStore-Verbundprojektes untersucht.

CO₂-Speicherung

Seegräser entnehmen dem Meer das Treibhausgas Kohlendioxid und lagern dessen Kohlenstoffanteil im Untergrund ein – und zwar mit einer höheren Rate als jeder Wald an Land



Biodiversität

Seegräser schaffen Lebensraum für Tausende Arten und tragen dazu bei, dass Millionen Menschen rund um den Globus ausreichend Fisch zu essen haben



Küstenschutz

Seegräser schützen Küsten effektiv. Sie bremsen Wellen, sammeln Sand und Sedimente an und verhindern Erosion weit über ihre Grenzen hinaus